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Predigt zum Festgottesdienst zum 50jährigen Jubiläum der Großgemeinde Stadt Frankenau (1974 – 2024)
Lieber Herr Bürgermeister Steiner, sehr verehrte Damen und Herren des Magistrats, lieber Herr Stadtverordnetenvorsteher Bremmer, lieber Herr 1. Stadtrat Lange, verehrte Damen und Herren Stadtverordnete, liebe Ortsvorsteherinnen und Ortsvorsteher, liebe Konfirmanden, liebe Gäste aus Nah und Fern, liebe Gemeinde!
1. Die Lebenswelt in den 50er und frühen 60er Jahren:
Die Seele des Dorfes war neben der Kirche das kollektive Vergnügungszentrum, die Gaststube. In einer Welt ohne DGHs fand hier alles statt. Von der Wiege bis zur Bahre, von der Tauffeier bis zum Beerdigungskaffee.
Samstags rockte auf dem Saal im Wirtshaus die Jugend in wallenden Kleidern oder aufgeregt Händchen haltend beim Kinofilm – hier wurde fröhlich nach einem Heimsieg der Fußballmannschaft gesungen, die Niederlage ertränkt und sowieso der ein oder andere Schoppen verzehrt.
Die reichlich geborenen Kinder gingen wenige Schritte durch das Dorf in die Ortsmitte mit Lederschulranzen in die Volksschule, alle zusammen – acht Jahrgänge in einem Dorf. Der Lehrer, der auch Dorfschulmeister war, wohnte vor Ort, kannte alle – und unterrichtete als Universalgelehrter alles. Sonntags spielte er Orgel, freitags kümmerte er sich musikalisch um die Männer des Ortes. In seiner Freizeit war er als Pomologe oder Heimatforscher tätig.
Heinz Berg aus Louisendorf und Hermann Küster aus Dainrode waren die letzten beiden dieser kostbaren Exemplare, die Geist und Bildung in die Dörfer brachten, noch vor der Akademisierung des Lehrerberufes ausgebildet am Lehrerseminar in Weilburg.
Das Leben war lange noch landwirtschaftlich geprägt. Wenn die Kinder aus der Schule nach Hause kamen, fanden sie auf dem Küchentisch einen Zettel mit Dienstanweisungen vor – und dem Acker, auf dem sie zur Mithilfe erwartet wurden.
In vielen Orten gab es kaum ein Telephon und auch nur wenige Fernsehgeräte. In Louisendorf war das Telephon mitten auf dem Flur des Hofes bei Familie Lange, zugleich die Poststelle. Wenn es klingelte hieß es: „Lauf schnell zu Batteux, Onkel Fritz aus Stuttgart ist am Telephon, der hat Schnupfen …!“Soviel zum Datenschutz und zu den Lebensverhältnissen.
Viele Heimatvertriebene und Flüchtlinge mußten integriert werden, fanden in der Fremde eine neue Heimat, haben Familien gegründet und fleißig gearbeitet. Reicher Kindersegen: Allein in Frankenau sind 1962 insgesamt 32 Kinder getauft worden.
Für Ordnung sorgte der Dorfpolizist - der Lehmann, Keßler und später Wolf hieß. Für schwierige Fälle und zur Ausnüchterung gab es im Rathaus auch eine kleine Zelle, wie in alten Westernfilmen.
Und der Bürgermeister? Das Bürgermeisteramt war in allen Orten ein Ehrenamt, die Sprechstunde richtete sich nach den Arbeitszeiten auf dem Feld und den Fütterzeiten im Stall. Wichtige Dinge wurden in der Wohnküche von Bürgermeister Ruhwedel abends erledigt, dort regierte seine liebe Frau. Bei den andern war es nicht anders.